Wer ab und an der Sitzung des Ortsbeirats in Harheim beiwohnt, weiß, was die Harheimer Bürgerinnen und Bürger bewegt: Unkraut! Regelmäßig wird in den Bürgerfragestunden überbordendes Unkraut in den Baumscheiben, in Hecken und an Wegrändern gemeldet und Abhilfe gefordert.
Gerade jetzt, nach 3 Monaten ohne Regen, wurde es in beachtlichem Ausmaß bspw. am Radweg im Niederfeld gesichtet (siehe Bilder). Was für den einen ein Aufreger, ist für die andere ein interessantes Phänomen: wieso wächst hier überhaupt noch etwas und warum sind unsere Grünstreifen noch nicht zur Sahelzone geworden?
Bei den sogenannten „Unkräutern“ – oder besser und weniger abwertend „Wildkräutern“ – handelt es sich in der Mehrheit um Pionierpflanzen. Die meisten von ihnen kommen aus dem Süden Europas oder der Neuen Welt und wurden mit dem Aufkommen des Bahnverkehrs verbreitet. Entlang der Bahnlinien wurden ihre Samen mitgerissen und viele Kilometer weit getragen. Oder auch direkt mit der Fracht über weite Strecken transportiert.

Gepflegte Wildkrautflur am Harheimer Rathaus
Aus ihrer warmen und trockenen Heimat bringen sie spezielle Anpassungen mit, die es ihnen ermöglichen, auf unwirtlichem Gelände zu gedeihen: beispielsweise sehr lange Wurzeln, Blattrosetten, die das Regenwasser bündeln, Hitzeschutz durch Haare und verdickte Blätter etc. In den ersten Jahren verbessern diese Pionierpflanzen den Boden derart, dass sich nach und nach auch unsere heimischen Pflanzen wohl fühlen und dort wachsen können. Diese sind nämlich nicht auf die vom Klimawandel veränderten Bedingungen vorbereitet. Ohne diese Wildkräuter würde hier nach 3 Monaten Trockenheit und Hitze tatsächlich nichts mehr wachsen und auch eine Wiederbesiedelung können unsere heimischen Kräuter ohne die Hilfe der „Neubürger“ nicht schaffen. Eine gewisse Bekanntheit erfuhr so in der Nachkriegszeit das Weidenröschen[1], das auch als „Trümmerblume“ bekannt wurde. Nach der Zerstörung von Städten durch Bombardierung war sie eine massenhaft auf den entstanden Schuttflächen vorkommende Erstbesiedlerin, die zuvor gar nicht in Siedlungsgebieten wuchs.
Die Stadt Frankfurt hat den Wert der Wildkräuter erkannt und verwendet auf ihren Grünflächen keine Herbizide. Dies führt schon lange dazu, dass die Biodiversität in der Stadt größer ist als auf dem Land[2]. So dient auch unser Harheimer Wildkraut dem Erhalt der Artenvielfalt.
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Pionierpflanze
[2] https://www.faz.net/aktuell/rhein-main/unkraut-bahnt-sich-in-frankfurt-einen-weg-durch-den-beton-16858002.html
Quelle u.a.: Doris Grappendorf: Schuttkräuter, 2015 1. Auflage. Katharinen-Verlag