Wer das erste Mal durch unsere Harheimer Ortsmitte schlendert, dem fallen fünf Dinge auf: Erstens: Die Farbe Rot; Zweitens: ein recht nettes altes Rathaus; Drittens: ein Hotel mit einer Möglichkeit zum Draußensitzen; Viertens: Ein Wasserspiel ohne Wasser und schließlich Fünftens: Ein Grundriss.
Erst beim zweiten Blick fällt auf, dass es sich bei dem besagten Grundriss wohl um die Rekonstruktion eines Kirchenbaus handelt. Wagt man sich die zwei Stufen des Kalksandsteinumrisses hinunter, entdeckt man eine Steinplatte, die auf einen zunächst wohl gotischen und später barocken Kirchenbau aus dem Jahr 1686 verweist. Doch von dem einst barocken Stil (wir erinnern uns: geschwungene Linien, Prunk sowie prachtvolle Verzierungen) ist nichts mehr zu erkennen. Als Historikerin, die sich viel mit den Fragen der Geschichtskultur beschäftigt und der beim Wort „Denkmalschutz“ ganz unwillkürlich stromschlagartige Schauer über den Rücken laufen, fragt man sich schnell: woran wird hier erinnert und warum? Werfen wir also einen Blick zurück in die Geschichte Harheims und der Umstände, die dazu führten, dass die alte Kirche abgerissen wurde.
Es war der 11. Januar 1932 als Pfarrer Philipp Schnell an den damaligen Ortsvorstand schrieb und in Aussicht stellte, das bischöfliche Ordinariat in Mainz könne der Civilgemeinde „[…] den Grund u. Boden auf dem die alte Kirche steht [schenken].[1] Grund war der bereits geplante Abriss der alten und maroden[2] Kirche sowie der Neubau der neuen St. Jakobuskirche. In den Zeiten der noch immer andauernden Weltwirtschaftskrise und den wackeligen Füßen auf denen die Weimarer Republik stand, kein leichtes Unterfangen. Am 19. Dezember 1932 war es also soweit. Nachdem das Ordinariat in Mainz seine Zustimmung gab, erteilte auch das Hessische Kreisamt in Friedberg seine Zustimmung zur Abtretung des alten Kirchplatzes an die Bürger Harheims, gegen die Überlassung von Kirchenbauholz.[3] Mit einer einzigen Einschränkung: an die Stelle des alten Kirchenbaus musste ein steinernes Kreuz zur Erinnerung an eben jene Kirche aufgestellt werden – von einer Rekonstruktion eines Grundrisses war hier allerdings keine Rede.[4] Ende gut, alles gut? Noch nicht ganz. Zwar wurde die alte Kirche bereits am 24.06.1933 außer Dienst gestellt, die Genehmigung zu ihrem Abriss wurde jedoch erst am 16. Mai 1936 erteilt. Lange Diskussionen wurden darum geführt. Vor allem die Nationalsozialisten rund um den Bürgermeister Fink wollten den Chor der Kirche zunächst zu einer Kriegergedenkhalle, später zu einem Ständehaus, dann wiederum zu einer Kreuzgruppe umgestalten. Zu guter letzt – und dies war für die Harheimer sicherlich der Gipfel der Ungeheuerlichkeiten – versuchte der Pfarrer der evangelische Gemeinde aus Nieder-Erlenbach (Fritz Bohne) den Platz für seine Zwecke zu nutzen, und zwar zur Errichtung einer evangelischen Kirche. Gegen die Pläne der NSDAP das alte Kirchengebäude unter Denkmalschutz zu stellen und für Veranstaltungen zu nutzen, die vom NS-Kulturwart genehmigt wurden, protestierte Pfarrer Schnell in einem Schreiben an das Hessische Kreisamt in Friedberg. Am 21. Juli 1933 schrieb er:
„Hierzu bemerken wir, dass wir mit diesem Vorschlag unter keinen Umständen einverstanden sind, da der Platz der Gemeinde gegen Abgabe von Bauholz abgetreten wurde und der alte Bau, der schon Jahrzehntelang ein großes Verkehrshindernis darstellt unter allen Umständen abgebrochen werden muss. […] Dass der Denkmalpfleger dieses Gebäude, dass weder historische noch architektonische Bedeutung hat unter Denkmalschutz stellt ist uns unverständlich, zumal ihm auch sonst in künstlerischer Beziehung keine Bedeutung beizumessen ist.“[5]
Schlussendlich wurde die alte Kirche abgerissen und nicht unter Denkmalschutz gestellt. Der alte Kirchplatz wurde den Harheimer Bürgern zur freien Nutzung geschenkt und der alte Kirchbau sollte nach dem Willen der Bischöfl. Behörde auf keinem Gebiet mehr ein Zankapfel sein.[6]
Weshalb der alte Kirchplatz Mitte der 80er Jahre so gestaltet wurde, wie er sich heute darstellt lässt sich zumindest nicht historisch begründen. Nach nunmehr knapp 36 Jahren bietet sich mit dem Förderprogramm der Stadt Frankfurt jedoch die Möglichkeit den Platz neuzugestalten, um ihn zu einem Begegnungsort zu machen. Ein Ort der zum Verweilen einlädt, der vielleicht ökumenisch genutzt werden könnte, der urban ist und gleichzeitig grün. Wie so ein Platz aussehen könnte, sollten wir diskutieren.
Historische_Dokumente_Harheim_Neubau_St._Jakobus_Kirche_
[1] Vgl.: Bestand A.90.04 Harheim, Signatur 590, Stadtarchiv Frankfurt: Schreiben von Pfarrer Schnell an den Ortsvorstand.
[2] Ebd. 16. Oktober 1934, Schreiben von Bürgermeister Fink an die Kath. Kirchengemeinde Harheim.
[3] Schreiben vom Hessischen Kreisamt Friedberg, am 19.12.1932.
[4] Vgl. Schreiben des bischöfl. Ordinariats aus Mainz an den kath. Kirchenvorstand Harheim, am 31.10.1932.
[5] Ebd. Schreiben von Pfarrer Schnell an das Hess. Kreisamt, 21.07.1933.
[6] Vgl. Schreiben vom 15. 11. 1934. Von der Kirchengemeinde Harheim an die Gemeindevertretung.